Der berühmte Klavierzyklus «Bilder einer Ausstellung» von Modest Mussorgsky eröffnete das Festival am Freitag. Nur wenigen dürfte bekannt gewesen sein, dass Mussorgskys geniale Musik, entstanden unter dem Eindruck einer Gedenkausstellung an seinen Freund Hartmann, viele Jahre später Wassily Kandinsky zu einer Umsetzung in bewegte Bühnenbilder inspirierte. Diese Bilder wurden in einer Live-Video-Inszenierung von Arthur Spirk zur begeisternden Interpretation des 22-jährigen Pianisten Christian Staub über dem Flügel projiziert. Für das Publikum entstand so ein faszinierendes Zusammenspiel von Bild und Musik, zu dessen starkem Eindruck das facettenreiche Spiel des jungen Pianisten gleichermassen beitrug. In der zweiten Konzerthälfte erklang die Sonate in c-Moll von W. F. Bach, gespielt von Fagottist Sergio Azzolini und Pianistin Kateryna Tereshchenko. Der Farbenreichtum von Azzolinis Klang liess an die menschliche Stimme denken, seine suggestive Gestaltungskraft im Dialog mit der fein mitgestaltenden Pianistin verliehen der Musik eine narrative Qualität. Camille Saint-Saëns’ Septett op. 65 für Trompete, Streichquintett und Klavier setzte schliesslich einen brillanten und klangvollen Schlusspunkt, wobei der Pianist und Künstlerische Leiter des Festivals Martin Lucas Staub mit virtuosen Klangkaskaden und der Trompeter Markus Graf mit warmem Klang zu überzeugen wussten. Mit beseeltem Klang gestalteten die fünf Streicher das tiefsinnige Intermède und entfalteten im Finale im Zusammenspiel mit Klavier und Trompete einen orchestralen, strahlenden Gesamtklang.
Zeitgenössisches zum Anhören
Zwei Bilder von Adolf Wölfli inspirierten den Komponisten Richard Dubugnon zu seinem Klaviersextett «Rundtanz». Die Art Brut-Bilder des an Schizophrenie leidenden Wölfli wurden von Martin Lucas Staub visuell inszeniert und auf Dubugnons Musik abgestimmt. So führte die präzise Aufführung zu einem eindrücklichen Gesamtkunstwerk, das bewies, wie zeitgenössische Musik sein Publikum in ihren Bann schlagen kann. Davor hatte das Streicherensemble mit A. Golubeva und R. Monasypov (Violinen), I. Krapikaite (Viola), P. Marleyn (Violoncello) und R. Dubugnon (Kontrabass) in Boccherinis Quintett «La musica notturna delle strade di Madrid» nächtliche Szenen aus der spanischen Hauptstadt mit lautmalerischen Effekten zum Leben erweckt. Ein monumentales Tongemälde erklang mit César Francks Klavierquintett in f-Moll, dessen ergreifende lyrische Linien kontrastiert werden von brodelnden Abschnitten, die sich immer wieder zu vulkanischen Ausbrüchen und dramatischen Steigerungen verdichten. Dem Ensemble gelangen atemberaubende Spannungsbögen, die am Ende zu einer Standing Ovation führten.
Gelungener Workshop für Fagott
Am Freitag und Samstag bildete der öffentliche Fagott-Workshop ein besonderes Highlight. Mit viel pädagogischem Geschick, höchster Professionalität und einem beeindruckenden «feu sacré» erreichte Sergio Azzolini erstaunliche Fortschritte seiner Studenten, die sie am Sonntag in der Matinee Junge Talente vor einem ausverkauften Saal unter Beweis stellen durften. Barockmusik von Vivaldi, Telemann und Fasch wurde dabei ergänzt mit Werken von Rossini und Saint-Saëns. Dazwischen sorgte die Flötistin Emma Blanke, Schülerin der PMS Kreuzlingen, mit einem Satz aus dem Flötenkonzert von Reinecke für ein romantisches Glanzlicht. Azzolini wie auch das Publikum zeigten sich beglückt über die Auftritte der jungen Musikerinnen und Musiker, die von der Pianistin Kateryna Tereshchenko einfühlsam begleitet wurden.
Malatelier im Konzertsaal
Einen bleibenden, tiefen Eindruck hinterliess im Schlusskonzert die Umsetzung von Schostakowitschs erschütterndem zweiten Klaviertrio in zwei grossformatige Bilder durch die Künstlerin Maryleen Schiltkamp. Synchron zur emotionalen Interpretation des Schweizer Klaviertrios entstanden auf den Leinwänden eindringliche Bilder, die das musikalische Geschehen verstärkten und vertieften. Das Festivalmotto «Klangbilder» erlebte damit seinen faszinierenden Höhepunkt, bei dem Musiker und Künstlerin das Publikum direkt am Kreationsprozess teilhaben liessen. Umrahmt wurde diese Aufführung vom transparent und leichtfüssig gespielten Streichtriosatz in B-Dur von Schubert und dem Klaviertrio von Maurice Ravel voller klanglicher Raffinesse und Virtuosität.
Und so durfte Geschäftsleiter Roland Meier am Ende auf ein gelungenes Festivalwochenende zurückblicken, das auch vom Wetterglück profitierte. Wie gewohnt trugen auch die hervorragende Küche des Lilienbergs, der aufmerksame Service und die traumhafte Umgebung einen gewichtigen Teil zum guten Gelingen bei.
Das Festival Kammermusik Bodensee ist zurück auf dem Lilienberg, und zwar vom 28. bis 30. August 2026. Werden auch Sie Teil dieser musikliebenden Grossfamilie. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters.