
Stifter und Gründer

Walter Reist (19.2.1927 bis 7.6.2022)
Eine Würdigung von Christoph Vollenweider
Am 7. Juni 2022 ist Walter Reist, der Gründer der Ferag und des Lilienberg Unternehmerforums, in seinem Heim in Hinwil mit 95 Jahren verstorben. Sein Name ist aufs Engste mit der Gemeinde Hinwil verbunden. Reist legte den Grundstein für die Entwicklung von Hinwil zum modernen Industriestandort, als er die Ferag als erstes Unternehmen ausserhalb des damaligen Dorfs ansiedelte.
Das war im Jahr 1963. Die von ihm und einem Partner gegründete Fehr & Reist AG (Ferag) bestand damals bereits seit sechs Jahren. Das Unternehmen für Förder- und Verarbeitungssysteme in der grafischen Industrie war rasch so erfolgreich geworden, dass der Platz am bisherigen Standort in Dietlikon nicht mehr ausreichte. Reist hielt darum Ausschau nach einem grösseren Grundstück.
Vision für Hinwil
Schliesslich wurde er in Hinwil durch die Vermittlung seines Schwiegervaters Jakob Gerber und des damaligen Gemeindepräsidenten Robert Knecht fündig. Knecht hatte in jener Zeit die Idee, auf beiden Seiten der Zürichstrasse Wirtschaftsunternehmen anzusiedeln, um die Gemeinde zu entwickeln.
Walter Reist zeigte als Erster Interesse an dem Areal und erwarb ein geeignetes Grundstück. Schon bald bezog die Ferag einen Neubau und nahm ihren Betrieb dort auf. Andere Unternehmen sollten diesem Beispiel folgen, sodass nach und nach das heutige Industriequartier entstand.
Auch privat liess sich Reist zusammen mit seiner Frau Lotti Reist-Gerber und den gemeinsamen Kindern Susanne und Andreas im Jahr der Standortverlagerung in Hinwil nieder. Mit wachsendem Erfolg dehnten sich die Anlagen der Ferag in den nächsten Jahren auf beide Seiten der Zürichstrasse aus.
Revolution angestossen
Walter Reist hat sein Unternehmen aus eigener Kraft aufgebaut. Seine nicht einfache Jugendzeit in Schaffhausen und Schlatt TG war geprägt von harter Arbeit. Er musste früh Verantwortung übernehmen. Der gelernte Maschinenschlosser bildete sich am Abentechnikum weiter. Als er bei der Firma Daverio in Zürich als Chefkonstrukteur arbeitete, erfand er den schmierfreien Zeitungstransporteur für die «Neue Zürcher Zeitung». Da diese Erfindung seinen Arbeitgeber nicht sonderlich interessierte, kaufte Reist das Patent zurück und machte sich im Jahr 1957 mit der Gründung der Fehr & Reist AG selbständig.
Der schmierfreie Zeitungstransporteur sowie viele weitere Erfindungen und Entwicklungen bedeuteten nichts anderes als eine Revolution in der Zeitungsproduktion. Sie ermöglichten einen weit rationelleren Betrieb des sogenannten Versandraums. Die Verleger wurden durch die Systeme der Ferag in die Lage versetzt, immer grössere Auflagen in kürzerer Zeit zu produzieren.
Bis zu 1500 Mitarbeitende
Die 1973 entwickelte Einstecktrommel war ein weiterer grosser Wurf. Verleger konnten nun Vorprodukte und Werbebeilagen in grosser Zahl synchron dem Hauptprodukt beifügen. Walter Reist belieferte viele namhafte Zeitungs- und Zeitschriftenverlage auf allen fünf Kontinenten und verkehrte mit den meisten namhaften Verlegern seiner Zeit. Das Gesamtunternehmen beschäftigte bis zu 1500 Mitarbeitende. Für die Gemeinde Hinwil und das Zürcher Oberland ist die Ferag auch heute ein attraktiver Arbeits- und begehrter Ausbildungsplatz.
Für den Patron war Hinwil nicht nur Unternehmenssitz, sondern auch der private Lebensmittelpunkt. Dort engagierte er sich in vielen Bereichen. So amtete er vier Jahre im Hinwiler Gemeinderat als Finanzvorsteher. Als Dank für seine Verdienste um die Gemeinde, als attraktiver Arbeitgeber, als Sponsor und Gönner vieler Institutionen erhielt er 2007 zusammen mit seiner Frau Lotti anlässlich ihres gemeinsamen 80. Geburtstags das Ehrenbürgerrecht von Hinwil.
Engagiert für Unternehmer
Der Erfinder, Entwickler und Konstrukteur Walter Reist beschäftigte sich aber auch mit dem Wesen des Unternehmertums. Zeitlebens setzte er sich mit der Frage auseinander, was einen guten Unternehmer ausmacht und was ihn antreibt. Dabei schwebte ihm ein ganzheitliches lebendiges Unternehmertum vor, das den Menschen ins Zentrum stellt. Aus seiner Sicht sollte der Unternehmer immer Teil der Gesellschaft sein und sich für die Gemeinschaft einsetzen. Um diese Gedanken breiter zu diskutieren und abzustützen, errichtete er 1989 in Ermatingen das Lilienberg Unternehmerforum. Seither lebt der Lilienberg als Plattform für Begegnungen zwischen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur.
Walter Reists ganzheitlich orientiertes Denken fand auch eine Heimat im Geist von Rotary, wo er im Club Zürich-Oberland (Wetzikon) ein sehr engagiertes und aktives Mitglied war. Für sein Wirken als erfolgreicher Unternehmer, Erfinder und Entwickler sowie für die Führung des Lilienbergs erhielt Walter Reist 1993 die Ehrendoktorwürde der ETH Zürich als eine der ganz wenigen Personen, die aus der gelebten Praxis und nicht aus dem Hochschulmilieu stammten.
Nachfolgend die Festschrift, die 2017 zum 90. Geburtstag von Walter und Lotti Reist erschienen ist: